Jan Volker Röhnert
… und wieder jene Art Gedicht gereift die
jeden Sommer einmal kommt ohne
daß du weißt: woraus ebensowenig: Woher
ist der Hamster, an der Grasnarbe zwischen
Landstraße & Weizenfeld, ein Irrtum? Die
Flüchtigkeit des Augenblicks, einmal erfaßt
und die verschiedenen Anflüge die Dynamik
„fest»zuhalten, Mißstände auf dem
Papier. (Die Übernahme der Philosophen in
die Werbeindustrie.) Eine Erfahrung (locus
solus ) auf dem Fahrrad (hieß es früher nicht
Errettung, weil man ritt?) Unterwegs: Tiefurt
Kromsdorf Oßmannstedt (Wieland liebte das
Grab der beiden Frauen überm Fluß, Wasser
aus dem Mund antiker Gnomen) Oberroßla
mit Namen wie: Speckpfuhl Barbiergasse Zum
Schloßhof (Fenster eingetreten, die Rahmen
in Splittern) Mühlenteich (wo es Döner um
die Ecke gibt); Saaleplatte dann (apoldaaus)
mit dem bergauf-Ton eines völlig neuen
Horizonts, in Stromlinie der Masten (und nur
die rote Sehnsucht einer Kirsche noch von
Goethe-Augen imprägniert) bis zur letzten
Mühle, wo das Schlachtfeld, scriptum est, begann.
Friedlicher als das Memorial ist ein Vogel auch
wenn er Neuntöter heißt. Hinter Closewitz
dein Schatten gleitet übers Korn, eine
wandernde Realität die sich irgendwo
bewegt zwischen dem Schatten des
toten etruskischen Kriegers im Feld und dem
jenes Fußgängers August ’45 in Hiroshima
der eine Tätowierung im Asfalt hinterließ
tiefer als dein Körper selbst. Du bist
außerhalb gewesen. Auf dem Papier
dauert der Schatten höchstens, wenn du
ihn mit Tinte schwärzt. Die helleren
Stellen verschwinden. Nicht in der
Landschaft kannst du bleiben, nicht auf
dem Papier. (Nimm diese Kirschen
hier. Sie stillen nicht die Sehnsucht
aber den Hunger was im Augenblick
das gleiche ist.) Du folgst mir auf ein paar
Worte hin, Rauchzeichen der Seele.
Ich sehe das klarer als ich sagen kann.
Dies ist der Sommer mit den kräftigen
Schatten und vor mir die Gesten der Freunde
die ins Tal hinunter zeigen: Bremsen,
Abfahrt! Wiesen Pferde Wein, zuletzt
die Straßenbahnen (Life tastes good ):
Dein Atem, dein Schweiß bindet diese Bilder.
Und das Gefühl ist jedesmal wie in die Stadt
einfahren, die du kennst, aber jedesmal auf
einem Weg, den es noch nicht gegeben hat.
aus: Burgruinenblues, Gedichte, Wartburg Verlag, Weimar 2003.
Alle Rechte beim Wartburg Verlag. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.