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De Mülschdaggl

Sieglinde Mörtel

 

Frie­hor, do hunn se bei uns de Mülsch nuch bein Flee­schor vor­kooft, glei aus dor grußn Mülsch­konne. Do hutt mor e Kriechl musst mit­bringe un do schäpptn se de Mülsch mit ennor Schäpp­kelle nein.

Noochn hunn mor in Kunsum de Mülsch in Floschn kunnt koofe. Do worn siche Bopp­daggl uumne druff un uff denn Daggl stunn dor Wuchndooch.

Mon­sche­moo wor‘sch esue: Do stunn uff denn Bopp­daggl dor Dienstsch. Noochn hunn mor denn Daggl dor­heeme rungor gemocht, do wor do drungor nuch su e Daggl. Un uff denn stunn noochn dor Muuntsch. Do hunn se uff de Floschn, die arsch­te­moo wag musstn, eefoch nuch enn onnorn Daggl uumne druff gemocht.

Dos eene Moo, dos wess ‘sch nuch wie heide, do hunn mor sugoor drei Daggl druff gehutt. Uff‘n eeworschtn stunn dor Freitsch un uff‘n ungorschtn de Middewuche.

Heide mochts ju nüscht, wenns in Kiehls­chr­onke e moo een, zwee Doo­che iewor­loo­chort. Do starbt mor nich glei dron. Awer doze­moo, dos hutt schunne blie­mo­ront kunnt ware. Mor hunn ju nich glei olle enn Eis­s­chronk gehutt. Un is hunn o nich olle su enn koltn Kal­lor gehutt, wie in denn rischtschn olln Hei­sern. Un mir hunn arsch­te­moo beeds nich gehutt.

Do hunn mor nune in Kunsum de Mülsch gekooft, die wor schunne bolle schlacht. Un wenn dos ebbor nuch gedun­n­ort hutt, wu se suun­suu immor gesch­lig­gort hutt, do hunn mor‘sch glei kunnt vor­gasse. Do kunnt mor ‘sche noor nuch rischtsch dicke luss ware un in Quork­sock moche. Do goobs äämde ze Mitt­sche drei­moo hing­or­non­nor Aar­d­äppl un Quork.

Die gonzn Johr iewor hub ‘sch mich gefroot, eb se die onnorn Daggl glei in Mülsch­hufe druff gemocht hunn, odor eb se in Kunsum siche Daggl vur­räätsch gehutt hunn. Vor­gong hunn mor‘sch ooch e moo wid­dor do dor­vun gehutt un do soote duch Eens: „Mit denn Dag­gln, dos konn ‘sch dor soo­che. Dos wor in Mülsch­hufe. Do hub ‘sch e moo in Fer­schn geo­or­wäät. Un friehe, do brochtn se de nich vor­kooftn Mülsch­kostn nein. Un mir hunn do die onnorn Daggl druff must moche.“

Do hub ‘sch nune de Wohr­heet orfohrn! Itze, nooch fuffzsch Johrn! Un nuch e moo fuffzsch Johr hin, ‘sch will goor nich wisse, wos do nuch su olles rauskimmt!


Die Milch­deckel

 

Frü­her wurde bei uns die Milch beim Flei­scher ver­kauft, direkt aus einer gro­ßen Milch­kanne. Man musste einen Krug mit­brin­gen und dort­hin­ein schöpf­ten sie die Milch mit einer Kelle.

Spä­ter kauf­ten wir dann im Kon­sum die Milch in Fla­schen. Oben drauf waren Papp­deckel und auf denen stand der Wochentag.

Manch­mal war es so: Auf dem Papp­deckel stand der Diens­tag. Hatte man den Deckel dann zuhause abge­nom­men, befand sich noch ein wei­te­rer dar­un­ter und auf dem stand Mon­tag. Da hat­ten sie auf die Fla­schen, die zuerst weg muss­ten, ein­fach noch einen Deckel draufgemacht.

Ein­mal, das weiß ich noch wie heute, da hat­ten wir sogar drei Deckel über­ein­an­der. Auf dem ober­sten stand Frei­tag und auf dem unter­sten Mittwoch.

Heute macht es ja nichts, wenn im Kühl­schrank mal was einen oder zwei Tage über­la­gert. Davon stirbt man nicht gleich. Aber damals konnte das schon recht brenz­lig wer­den. Wir hat­ten ja nicht gleich alle einen Kühl­schrank. Und es gab auch nicht mehr über­all so kalte Kel­ler wie in den rich­tig alten Häu­sern. Und wir hat­ten erst­mal bei­des nicht.

Da hat­ten wir nun im Kon­sum Milch gekauft, die schon fast ver­dor­ben war. Und wenn es viel­leicht noch gewit­terte, so dass sie ohne­hin im Hand­um­dre­hen gerann, konnte man es gleich ver­ges­sen. Dann konnte man sie nur noch rich­tig dick wer­den las­sen und in einen Quark­sack fül­len. Dann gab es eben zu Mit­tag drei­mal nach­ein­an­der Kar­tof­feln und Quark.

Die gan­zen Jahre über habe ich mich gefragt, ob die ande­ren Deckel gleich im Milch­hof drauf­ge­macht wur­den oder ob sie die im Kon­sum vor­rä­tig hat­ten. Neu­lich spra­chen wir mal wie­der dar­über, und da sagte doch einer: „Mit den Deckeln, das kann ich dir sagen. Das war im Milch­hof. Da hab ich mal in den Ferien gear­bei­tet. Mor­gens wur­den die nicht ver­kauf­ten Milch­kä­sten wie­der zurück­ge­bracht und wir muss­ten die ande­ren Deckel drauf machen.“

So habe ich nun die Wahr­heit erfah­ren; jetzt, nach fünf­zig Jah­ren! Und in wei­te­ren fünf­zig Jah­ren? Ich will gar nicht wis­sen, was dann noch so ans Tages­licht kommt!


aus: Tratsch vun frie­her un itze. Geschich­ten aus Thü­rin­gen in Mund­art und Hoch­deutsch. Wel­ken­Ver­lag, Jena 2019.
Alle Rechte lie­gen bei der Autorin. Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der Autorin.
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