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Ode auf die gemeine Klette und George de Mestral,
 den Erfinder des Klettverschlusses

Steffen Mensching

 

Arc­ti­cum lappa , Zau­ber­kraut, einst,
Wider Dämo­nen und Don­ner. Den Extrakt
Ihrer Wur­zel emp­fahl Hil­de­gard

Von Bin­gen gegen Lepra, Steinleiden,
Grind. Mit den Hexen fiel
Auch die Klette dem Vergessen
Anheim. Auf Ödland, im Unterholz
Der Wäl­der wucherte sie, über Jahrhunderte,
Still vor sich hin, eine Laune Gottes,
Zu nichts zu gebrau­chen. Wanderer,
Jäger, Sol­da­ten, zupften
Die wider­spen­sti­gen Knöllchen
Mür­risch aus Haa­ren und Klei­dern. Kinder
Ziel­ten damit auf die Rockschöße
Von Haus­leh­rern und Katecheten.

An einem Mai­abend des Jahres
Neun­zehn Achtundvierzig
Kehrte George de Mestral, ein Schweizer
Inge­nieur, mit sei­nem Hund
Aus den Wie­sen zurück, Kletten
An Hosen­bei­nen und Strümpfen.
Die Hand in den Flan­ken des Dackels
Prüfte der Forscher
Eine haa­rige Kugel. Win­zige Häkchen,
Erkannte er unter der Lupe,
Krall­ten sich fest
In der Wolle.
Ihm stockte der Atem.

Was wäre wenn? Was für ein Wahnwitz,
Anzu­tre­ten gegen die ultima ratio
Von Reiß­ver­schlüs­sen und Knöpfen.
Das Patent lag brach. Eine Revolution
Der Verschlußtechnik
Wuchs an den Rai­nen. Der Rest war Routine
Und Hand­werk. Cha­peau! , Mei­ster Mestral,
Astro­nau­ten und ABC-Schützen
Lie­ben Ihre Erfin­dung, Sie schenkten
Der Welt ein Geräusch, die­ses Ritsch ,
Und den stach­li­gen Glau­ben, noch
Für die beste Lösung
Gibt es auf Erden eine, die einfach
Bes­ser und ein­fa­cher ist.


aus: Stef­fen Men­sching »Ber­li­ner Ele­gien«, Faber und Faber Ver­lag, Leip­zig 1995.
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Autors.
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