Ettersburger Gespräch – »Das offene Leben. Rainer Maria Rilke zum 150. Geburtstag«
Sandra Richter im Gespräch mit Harald S. Liehr
Offen sein und schreiben, mehr wollte Rainer Maria Rilke, geboren vor 150 Jahren, nicht: ein bescheidener und zugleich anspruchsvoller Wunsch. Als Autor erfuhr er »das ganze Leben […], als ob es mit allen seinen Möglichkeiten mitten durch ihn durchginge«. Allerdings auch mit all seinen Widersprüchen: Rilke floh vor seinen Musen und konnte ohne sie nicht sein, beklagte die Folgen des menschengemachten Fortschritts und begeisterte sich für die Technik, er liebte das einfache Leben und hatte eine ausgeprägte Vorliebe für schöne Dinge und Wohnsitze. Er schuf mit den »Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge« einen der ersten modernen Romane und epochemachende Gedichtzyklen, deren Ausdruckskraft bis heute nachwirkt.
Sandra Richter, Literaturwissenschaftlerin und Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, arbeitet mit neuen Quellen, die mit Ankauf des großen Rilke-Archivs 2022 nach Marbach gelangt sind. In ihrer Rilke-Biographie (Insel) erscheint der Autor in neuem Licht: Nicht der weltabgewandte Einsiedler, zu dem er sich gern stilisierte, sondern robust, durchsetzungsfähig, alert in Gesellschaft, heiter und selbstironisch und in Finanzdingen beschlagener, als man gemeinhin annimmt. Sandra Richter macht deutlich, warum es sich heute in besonderer Weise lohnt, Rilke wieder zu lesen: Er lebte in schwierigen Zeiten, und er verarbeitete sie mit einer Wucht, die vielleicht nur im Angesicht existenzieller Bedrohung glaubhaft wirkt.
Eintritt: 12,00 €
Veranstalter: Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen e.V. Schloss Ettersburg.