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Neuerliche Ersteigung des Hörselberges

Siegfried Nucke

 

Wei­ter zu gehen / ent­lang der Stra­ßen und Telegrafen
im Ohr die unzu­ver­läs­si­gen Bot­schaf­ten des säu­mi­gen Rufers
Hei­mat / Des­halb also die Berge / Unter hoch­ge­spann­tem Himmel
glei­chen sie den Malen gefal­le­ner Tri­umph­bö­gen / Wem blüht
der Kranz aus Silberdisteln

Auf! Auf! Der Blick ins Weite zwingt mich / hangaufwärts /
Um den Leib die Leine, zur Sicherheit
bis an die Grenz­li­nien der Städte / Und Tau sitzt mir im Haar /
Die Hei­mat hat sich schön­ge­macht / Kein Echo / Schritte
übers blanke Geröll / Sedi­ment unter den Soh­len Es knirscht
stein­ge­wor­dene Unschuld

Es heu­len die hie­si­gen Hexen mir ums Ohr / Fahle Erinnerung
an nicht ein­ge­lö­ste Marsch­be­fehle / Wehende Fahnen
ihre Brü­ste / Komm, o, Tann­häu­ser, zu den Quel­len Kastaliens
Heb ich die Schul­tern : Wer glaubt an mor­sche Standarten
ange­sichts sol­cher Aus­blicke / Und wie hieß noch der verschollene
Name, den jeder vor sich ver­steckt / Heimat
meine Müh­se­lige / Hung­rig bin ich / Weit oben am Kopf
hockt die Kneipe / Rostige Läden wim­peln im Wind Bockwurst
gab es zum Ende der Sai­son steht geschrie­ben : Wan­de­rer kommst du

Ach, Hei­mat, wie kann ich dich nen­nen! Wegworte
Wort­wege : die­sen Pfad auf den Höhn
hab ich oft schon ver­fehlt hin­ter Dorn­sträu­chern aus den Hainen
Ely­si­ens / Zer­le­sene Histo­rien trei­ben über Kalk­stein / Das belebt
auch mein rei­nes Gewis­sen nicht / Ich sage:
der Sän­ger­krieg ist eine ähn­li­che Mär des träch­ti­gen Umlands
Genera­tio­nen blank­ge­rie­be­ner Steine / Wer fragt wie viele
Füße gra­ben ver­läß­li­che Stu­fen hin­auf zu den Mythen


Erst­druck in: Palm­baum – Lite­ra­ri­sches Jour­nal aus Thü­rin­gen, 1/1996, S. 56.
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