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Januar

Jan Volker Röhnert

 

Du stehst in den Dingen
von der Sonne verwandelt
für einen Moment
oder könn­test es sein

auf dem Boden gelandet
die blauen Schat­ten der Wolken
zie­hen dar­über hin
alles ist wie­der offen

in den Spu­ren, die dir gelegt
– die du dir gelegt? –; hier:
eine Mähre trabt übers Pflaster
Schweins­kopf auf dem Basar

die Luft aus den Ther­men im Mittag
des spät­rö­mi­schen Tals,
Münz­sie­gel des Kaiserkopfs,
Stie­fel­tritte im Lehm

süd­west­wärts treibt Rauch,
wo der Bal­kan in dunk­len Zügen
seine Mär­chen erzählt – bis
zur Grenze von Schmer­zen und Schnee,

den Zigeu­nerza­ren des Mülls,
hei­li­gen Bäu­men und Vögeln
im Gar­ten der Wahrsagerin,
das Auge ein Spin­del­rocken voll Garn

wie ein Tele­gra­phen­draht lang
zwi­schen den Zen­tren des Kontinents,
daran unser gan­zes Gestern hängt –
Gegen­wart ist jeder­zeit Jetzt

auf ver­schie­de­nen Fäden
in dei­ner Hand, die
am Muster von mor­gen knüpft,
das sie sel­ber nicht kennt,

doch in die sie taucht, die Farben,
die Stoffe, das Ornament,
sind ihr ver­traut – auf
dei­ner Zunge ein Alphabet


aus: Notes from Sofia. Bul­ga­ri­sche Blät­ter, edi­tion AZUR, Dres­den 2011.
Alle Rechte bei edi­tion AZUR, Dres­den 2011. Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Ver­la­ges und des Autors.
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