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Farbiges Grau

Jan Volker Röhnert

 

Der Rauch, wenn es Rauch ist, aus
den gebor­ste­nen Schlo­ten, klebt in der Landschaft
wie die Düsen­jä­ger in der Luft.
Es ist Sonn­tag, alle Läden
geöff­net. Daß sie wei­ter leben
hin­ter den Fas­sa­den, dem schie­fen aufgetriebnen
Glas, als hätte ein Erd­be­ben die Stadt
zer­stört und grundlos
blie­ben die Leute darin wohnen.

Das ist die größte im Arsenal
der mög­li­chen Ver­wir­run­gen: Blicke, die in den meinen
stran­den, als hät­ten wir uns erkannt.
Du hast noch weit zu gehen, bevor du darüber
ein­schla­fen kannst. Eine Straße
auf­wärts, und die Sze­ne­rie ver­än­dert sich.
Alles geschieht nebenan, die Alarmsirene
irgend­ei­nes Autos nachts, die ein ganzes
Vier­tel in den Krieg der Sterne schickt.
Dies ist bloß ein wei­te­rer Wochen­tag in Breitwandformat,
die Wip­fel gegen den Wind gekämmt, so
bestän­dig und genau die Art
von Frie­den, den die Pro­spekte, die auf
den Mau­ern ange­ta­kelt sind, aus der Ferne
prei­sen. Die Prosa eines Jahrhunderts

zieht mit den Wol­ken vor­bei, in
den blauen Flecken ste­hen die Regale Poesie.
Um die Ecke könn­ten wir
die alten Freunde suchen,
wenn ich es den­noch vor­ziehe, an
den Kin­der­wa­gen vor­bei ins Gras
zu star­ren, so, weil
es keine Rolle spielt, wem
von ihnen ich jetzt ver­trauen soll. Unter
den gegen­wär­ti­gen Verlockungen

ist nichts gün­sti­ger für einen Dichter 
als das Gefühl, unter den Passanten
ein­zu­sickern wie ein Schat­ten, den das Dunkel
schluckt. Immer noch
ste­hen uns die Besor­gun­gen, die Supermärkte
Wein Whisky und die Brief­mar­ken bevor.
Wir brau­chen das, wie den Anblick
der Zweige, der Vögel, des moosigen
Gesteins am Mor­gen, das patchwork
der Dächer Anten­nen & Essen, wie
die ein­ge­stürzte sizi­lia­ni­sche Kup­pel, an
der ich heut vorüberging.


aus: Metro­po­len. Gedichte, Carl Han­ser Ver­lag., Mün­chen 2007. Jan Vol­ker Röh­nert, Metropolen.
© 2007 Carl Han­ser Ver­lag, Mün­chen. Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Verlages.
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