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Eiszeit

Anne Gallinat

 

So weit man sieht, so weit man geht:
Über­all ist Eis.
Doch wenn kein Wind­hauch sich im lee­ren Raum mehr regt,
auch wenn die Zeit hier schein­bar stille steht.
Es ist so schön: das Blau und Weiß
vom kal­ten, star­ren Gletschereis.

So weit man geht, so weit man hört:
Über­all ist Stille.
Auch wenn kein Lachen mehr die Ruhe stört,
auch wenn der Wei­nende dem Tod gehört.
Es ist ja groß: das Lied vom Wer­den und Vergehn
in laut­los – stil­len Gletscherhöh›n.

So weit man sucht, so lang man fühlt:
Über­all ist Fremde:
Auch wenn der Mensch des Men­schen Trau­rig­kei­ten flieht.
Und wenn er auch in sei­nes­glei­chen nur den Teu­fel sieht.
Es ist ja kühn: sein end­los – lan­ges Immer – Weitergehn
in ein­sam abeschie›ne Gletscherhöh›n.

So weit man sieht, so weit man geht:
Über­all ist Eis.
Doch wenn auch nie­mand nie­mals mehr die Sonne schaut,
auch wenn das Ich im Frost gefan­gen sei­nem Ich nicht traut.
Wir sind noch da und flü­stern zärt­lich immerzu.
Denn Ich und Ich, wir haben noch ein biss­chen Wärme für ein Du.


aus: Der blut­rote Ahorn­baum, Schwein­furt, 2004.
Alle Rechte bei der Autorin.
Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der Autorin.

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