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Die Holzbohlendecke

Wilhelm Bartsch

 

Sie haben einst auch Mar­tha Schna­bel­rauch betrogen
um diese Kasten­decke, die mich schirmt in Thüringen,
das LPG-Büro zog ein, auch eine Decke
aus Gips – Gelumpe hält nicht, wah­res Bau­holz länger
Nun fährt und segelt sie stets über mir, wohin auch,
die Kogge – oft streift mich ihr Kiel­bal­ken, ich spüre,
wie etwas weg für immer will, gleich­zei­tig einläuft:
Die DDR war alp­traum­leicht aus Span­gips, ja,
sie war nur eine Zwi­schen­decke, eingezogen
von Alt-Jungs, Schlum­pen, ange­lern­ten Dachdeckern.
Und Mar­tha saß unterm ver­schwund­nen Haken, wo sich
der Bauer erhängte, da ist das Loch noch, oder wieder,
ich sollte, öfters, Mar­tha, hoch­se­hen? – »Ju ju«.
Ich zähl die Ast­lö­cher viel­tau­send­mal, es könnten,
mal so und mal so, drei- bis vier­hun­dert sein, ich recke
die Arme, ich stemme mich am Kiel, hör meine Wirbel
ab Sieb­zehn­hun­dert­sieb­zig knacken, und ich denk dran,
wie die die Länge der Flach­boh­len füg­ten, sehe
den Forst von Schöm­berg über mir, es rauscht der Wald.
Wie er mit sei­nen Soli­tärs die Kastenbrücke
in Wün­schen­dorf erbaute oder Wei­mars Wendelstock
Anna Ama­lias, der feu­er­fest blieb, ich studiere
die unles­bar ver­schrob­nen Wet­ter­kar­ten, ahne
den Eich­wald klas­sisch da auf sei­ner Naßschneegrenze,
die Staats­jagd Wei­mars, und halb­tau­send Augen, scheintot,
bewa­chen mir den Schlaf, halb­jähr­lich kracht das Gebälk
ein Vier­tel­se­künd­chen, was mehr sagt als alles Reden.
Hier bin ich kiel­ge­holt, hier zirpt noch meine Feder.


aus: Mit­tel­deut­sche Gedichte, Mit­tel­deut­scher Ver­lag, Halle/Saale 2010.
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Mit­tel­deut­schen Ver­la­ges und des Autors.
Alle Rechte beim Mit­tel­deut­schen Verlag.

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